ASJust Working Paper 2
Antisemitismuskritik vor Gericht:
Die Paradoxie der Normalisierung
judenfeindlicher Ressentiments
von Nina Keller-Kemmerer, Nike Löbrich
im Januar 2024
Abstract
The working paper analyzes the judicial handling of so-called antisemitism accusations. Based on an interdisciplinary perspective, the paper shows how the process of detabooising antisemitic resentment, which characterized German public discourse at the end of the 1990s and the beginning of the 2000s, is also reflected in court proceedings. he law is used in defence of antisemitic resentment by way of perpetrator-victim reversal and, with some delay, is also confirmed by the courts. Paradoxically, the narrative of the German past is used to normalize antisemitic resentment, thereby excluding an open discourse on current manifestations of antisemitism.
Zusammenfassung
Das Working Paper analysiert den gerichtlichen Umgang mit sog. Antisemitismusvorwürfen. Aufbauend auf einer interdisziplinären Perspektive wird gezeigt, wie sich der Prozess der Enttabuisierung antisemitischer Ressentiments, der den gesellschaftlichen Diskurs in Deutschland Ende der 1990er und zu Beginn der 2000er Jahre prägt, auch in den gerichtlichen Verfahren widerspiegelt. Recht wird dabei im Wege der Täter-Opfer-Umkehr zur Verteidigung antisemitischer Ressentiments herangezogen und mit etwas zeitlicher Verzögerung auch von den Gerichten bestätigt. Dabei wird das Narrativ der deutschen Vergangenheit paradoxerweise zur Normalisierung judenfeindlicher Ressentiments herangezogen, wodurch ein offener Diskurs über gegenwärtige Erscheinungsformen des Antisemitismus ausgeschlossen wird.
Keywords
Antisemitismusvorwürfe, Antisemitismuskritik, Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Meinungsäußerungsfreiheit, Abwägung, gerichtlicher Diskurs